
Golem.de: Gehälter in der Schweiz "Je höher die Position, desto geringer der Gap"
Überraschenderweise könne er beim Gehalt kaum punkten, dafür mit anderen Vorzügen der Schweiz, sagt Headhunter Erik Wirz. Mit einer Eigenart hätten aber einige zu kämpfen.
Erik Wirz im Interview mit Golem.de, Peter Ilg
Erik Wirz ist Gründer und Inhaber von Wirz und Partners, einem führenden Executive Search Unternehmen in der Schweiz. Als Headhunter sucht das Unternehmen hochrangige Manager, die digitale Transformation ist einer der inhaltlichen Schwerpunkte. Etwa ein Drittel der Positionen, die in diesem Kontext besetzt werden, erhalten Bewerber aus dem Ausland, drei Viertel davon kommen aus Deutschland.
"In hohen Funktionen unterscheiden sich die Einkommen nicht wesentlich zwischen den europäischen Ländern", sagt Wirz. Es gebe dennoch finanzielle Aspekte, die für einen Umzug in die Schweiz sprächen. Der müsse dann aber zwingend erfolgen. Ansonsten scheitere das Engagement meist in den ersten ein, zwei Jahren ohne Umzug inklusive Familie.
Herr Wirz, gegenüber Ihren Kollegen aus Deutschland haben Sie als Headhunter in der Schweiz ein unschlagbares Argument bei der Kandidatensuche: das Geld. Sind die hohen Einkommen in der Schweiz ein Wettbewerbsvorteil bei Ihrer Arbeit?
Erik Wirz: Das Argument der viel höheren Gehälter gilt zum Beispiel auf der Stufe von Softwareentwicklern. In dieser Berufsgruppe sind die Einkommensunterschiede zwischen den Ländern signifikant. Je höher jedoch die Position ist, desto geringer ist der Gap. Auf dem C-Level, also bei hochrangigen Führungspositionen in einem Unternehmen, bestehen internationale Gehaltsbänder, innerhalb derer die Personen vergütet werden.
Diese Einkommen orientieren sich im Wesentlichen an der Branche, der Firmengröße und weniger am Standort eines Unternehmens. Die Gehälter für den genannten Personenkreis sind in der Schweiz zwar höher als in Deutschland, die Lebenskosten allerdings auch. Das höhere Schweizer Gehalt ist sozusagen ein Aufschlag als Ausgleich.
Über welche Einkommen wird in der Schweiz in IT-Unternehmen auf dem C-Level verhandelt?
Erik Wirz: Das ist abhängig von der Größe des Unternehmens und von der Funktion der gesuchten Person. Bei der Suche nach IT-Führungskräften sind wir spezialisiert auf Rollen wie Chief Information Officer und Chief Information Security Officer. Ab einem Umsatz von etwa einer Milliarde Euro trennen Firmen diese Funktionen und Verantwortungen.
Während der CIO als Manager für die gesamte IT verantwortlich ist, kümmert sich der CISO um Cybersicherheit und berichtet an den CIO. Das Einkommen eines Chief Information Security Officers beginnt bei etwa einer Viertelmillion Schweizer Franken jährlich und reicht bis zu 400.000 Schweizer Franken. Beim CIO kann das Einkommen bis zu einer halben Million Schweizer Franken betragen.
Spürbar niedrigere Lohnsteuer
Wie ist es mit Steuern und den Sozialsystemen?
Erik Wirz: Die Steuern auf den Lohn sind in der Schweiz spürbar niedriger als in Deutschland, unterscheiden sich aber von Kanton zu Kanton und auch von Gemeinde zu Gemeinde. Was vielen Deutschen nicht bewusst ist, sind die substanziellen Unterschiede vor allem bei der Rente.
Bei uns gibt es drei Säulen: gesetzlich, betrieblich, privat. Die gesetzliche und betriebliche Rente sind obligatorisch. Auf dem C- Level werden oft Anreize geschaffen über erweiterte Leistungen in der gesetzlichen Rente, was steuerlich höchst interessant ist. Wenn die Kandidaten diese Gründe in ihre Rechnung mit einbeziehen, sind sie meist positiv überrascht, wie sehr sie sich finanziell verbessern, ohne dass ihr Gehalt stark steigt.
Wird in den Gesprächen heftig ums Einkommen gefeilscht?
Erik Wirz: Höchst selten zwischen den Kandidaten und uns als Beauftragte der Firmen. Dafür eher zwischen uns und unseren Auftraggebern. Sie fragen uns, wie hoch die Gehälter für eine bestimmte Position sind. Die Summen kennen wir von unserer Arbeit, spiegeln sie den Auftraggebern zurück und definieren gemeinsam mit ihnen Lohnbänder, innerhalb derer wir uns auf finanzieller Ebene in Verhandlungen bewegen können.
Die Personen, die wir dann ansprechen, suchen in den allermeisten Fällen keinen neuen Job. Sie sind mit ihrem zufrieden und sehen deshalb keinen Handlungsbedarf. Sie verdienen heute X und wenn wir nicht X Plus anbieten können, gibt es für sie keine Motivation, die Stelle zu wechseln und dafür auch noch in ein anderes Land umzuziehen. Deshalb sind vor allem wir es, die um hohe Gehälter feilschen, denn sonst sind unsere Mandate nur schwer zu erfüllen.
Wie wichtig ist ein Umzug?
Erik Wirz: Dieser Schritt ist entscheidend für den nachhaltigen Erfolg der Stellenbesetzung. Im Durchschnitt bleiben Personen auf hohen Führungsebenen ungefähr vier Jahre im Amt.
"Wir raten Unternehmen von Pendler-Lösungen ab"
Eine so lange Zeit pendelt niemand, denn das ist sozial inkompatibel. Wenn die Verlegung des Lebensmittelpunkts, also der Umzug der Familie in die Schweiz, nicht innerhalb einer vernünftigen Frist vollzogen wird, funktioniert das Engagement in der neuen Firma oft nicht.
Wir raten Unternehmen von Pendler-Lösungen ab. Vor Kurzem haben wir einen Auftrag abgeschlossen, bei dem eine Vorgabe war, dass, falls die Person aus dem Ausland kommt, wir diese aus dem Prozess nehmen, wenn keine Bereitschaft vorhanden ist, mit der gesamten Familie umzuziehen.
Was vielleicht gegen einen Job in der Schweiz spricht
Wenn die Gehälter nicht so viel höher sind als in Deutschland, was hat die Schweiz dann zu bieten, das den großen Schritt eines Umzugs rechtfertigt?
Erik Wirz: Unsere sehr hohe Lebensqualität. Ich war 16 Jahre international unterwegs und weiß daher, was ich hier habe. Das beginnt bei der Verbindlichkeit von Behörden kombiniert mit Rechtssicherheit. Ich habe in Deutschland Firmen saniert und hatte daher oft mit offiziellen Stellen zu tun. In der Schweiz kann man mit Behörden reden, sie etwas fragen, und sie sind gewillt, zu helfen.
Die Behörden im Kanton Zug, wo wir unseren Sitz haben, sehen sich als Dienstleister für Betriebe und Bürger. Einen neuen Pass zu bekommen, dauerte bei mir vor wenigen Tagen keine fünf Minuten. In der Schweiz haben große internationale Technologiefirmen wie Google ihren Sitz und sie betreiben hier Forschungslabore. Das machen sie nicht nur wegen niedriger Steuern, sondern vor allem wegen des Zugangs zu top qualifizierten Fachkräften.
Die haben häufig an renommierten Hochschulen wie der ETH Zürich, HSG St. Gallen oder der EPFL in Lausanne studiert. Für Manager mit Kindern kann die hohe Qualität des Schulsystems kombiniert mit der sehr hohen Dichte an Top-Universitäten ein wichtiger Umzugsgrund sein.
Aus welchen Gründen können Umzüge von Deutschen in die Schweiz scheitern?
Erik Wirz: Das hat nichts mit der Nationalität zu tun, sondern damit, dass sich die Menschen assimilieren, den Schweizer Gepflogenheiten anpassen. Als Land mit vier verschiedenen Landessprachen plus Englisch sind wir an vielen Orten sehr offen und interkulturell aufgestellt. Das gilt vor allem für größere Wirtschaftszentren wie Zürich, Basel oder Genf, wo viele Expats leben. An anderen Orten könnte die Integration aufwendiger sein.
Und was ist die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Migration in die Schweiz?
Erik Wirz: Dass die Menschen ihre Entscheidung konsequent umsetzen. Dass sie sich integrieren wollen und dafür auch etwas tun. Die Firmen sind bereit, ihre neuen Mitarbeitenden zu unterstützen, etwa bei der Wohnungssuche, bei der Anmeldung und teilweise auch bei der Auswahl von Schulen für die Kinder.
Die Neu-Schweizer müssen aber auch ihren Teil dazu beitragen, indem sie sich in den Wohnquartieren engagieren, mit Kolleginnen und Kollegen mal ein Bier trinken gehen oder sich in einem Verein engagieren, denn die Schweiz ist ein Vereinsland. Wer am Montag ein- und am Donnerstag auspendelt und seine ganzen sozialen Kontakte weiterhin an seinem alten Wohnort pflegt, kann sich nicht integrieren.
Gibt es auch einen Aspekt jenseits der persönlichen Integration, der für oder gegen einen Managerjob in der Schweiz spricht?
Erik Wirz: Ja, den gibt es und der hat mit der Schweizer Mentalität zu tun. Wir pflegen eine äußerst ausgeprägte basisdemokratische Entscheidungsfindung. Die zeigt sich in der Gesellschaft in unseren zahlreichen Volksabstimmungen und in gleicher Weise in der Schweizer Firmenkultur. Die Art der Entscheidungsfindung hat – wie fast alles im Leben – Vor- und Nachteile.
Teilweise beobachte ich, dass sich Manager aus dem Ausland anfangs damit schwertun, weil sie das Gefühl haben, es gehe alles zu langsam und nur mühsam voran. Wenn sie dann aber nach einer Weile sehen, dass Umsetzung, Akzeptanz und intrinsische Motivation bei basisdemokratischen Entscheidungen viel besser funktionieren, als wenn sie einfach Top-down erfolgen, daher hierarchisch sind und diskussionslos kommuniziert und gemanagt werden, erfolgt häufig ein Umdenken.