FuW Finanz und Wirtschaft, Verwaltungsrat, wie finden Sie den richtigen Verwaltungsrat

Die Wahlen von Verwaltungsräten und besonders von den Präsidenten sind ein zentraler Punkt an
jeder Generalversammlung. Mehrere Kandidaten ziehen in diesem Jahr viel Aufmerksamkeit auf
sich, etwa bei Ascom am 10. April. Dort will SBB-Managerin Jeannine Pilloud das Präsidium
übernehmen. An den Wahlen des Detailhändlers Migros unterlag sie vergangene Woche.

Beim Spezialisten für Spitalkommunikation, Ascom, steht einiges im Argen. Für diese Wahl muss
Pilloud dennoch nicht mit grösserem Widerstand rechnen. Der Investor Veraison, mit 7,3% des
Kapitals grösster Einzelaktionär, hat am Freitag gegenüber «Finanz und Wirtschaft» bestätigt, die -
Kandidatur Pillouds wie auch der anderen VR-Kandidaten unterstützen zu wollen.


Das Aktionariat bestimmt
Die Unterstützung durch starke Aktionäre ist wesentlich. Denn sie bestimmen, ob jemand eine
Wahlchance hat oder nicht, wie Sandro Gianella von Knight Gianella feststellt. Er ist ein auf die
Rekrutierung von Verwaltungsräten spezialisierter Berater. «Grossaktionäre wollen einen
Kandidaten, der ihre Interessen vertritt und dem sie vertrauen», sagt Gianella.

Das kann mitunter seltsame Blüten treiben. So soll beim Stahlhersteller Schmolz+Bickenbach der
ehemalige Telecom-Manager Jens Alder oberster Aufseher werden. Erfahrung mit Stahl hat er
keine. Kennt man aber Hintergrund und Verbindungen Alders, erscheint seine Nominierung unter
einem anderen Licht.

Für die Wahl ist die Zusammensetzung des Aktionariats entscheidend. «Gibt es Ankeraktionäre,
holen wir zuerst ihre Befindlichkeit ab, bevor wir dem Unternehmen entsprechend kalibrierte Kandidatenvorschläge unterbreiten», sagt Gianella. Am Ende entscheide das der Person
entgegengebrachte Vertrauen.

«In den meisten Fällen läuft ein strukturierter Selektionsprozess ab», sagt Clemens Hoegl vom
Headhunter Egon Zehnder. Er dauert im Vorfeld einer Nominierung mindestens sechs Monate
oder länger. Für die Selektion ist oft der amtierende VR-Präsident selbst Auftraggeber, manchmal
auch der Vorsitzende des Nominations- und Vergütungsausschusses. Zuweilen greifen auch
Grossaktionäre auf Headhunter zurück, um Sprengkandidaten vorzuschlagen.

«Ist ein VR-Kandidat wesentlich für die Durchsetzung der strategischen Interessen eines
aktivistischen Investors, kommt er meist aus seinem Netzwerk», stellt Hoegl fest. Eigene
Kandidaten für das Präsidium haben Grossaktionäre bei Hochdorf oder Comet aufgestellt. Doch
auch wenn ein Kandidat das Placet eines wichtigen Aktionärs hat, sollte der künftige Präsident
keine vorgefertigte strategische Meinung mitbringen, sagt Hoegl.

Profilmässig gibt es bei den jüngsten Nominierungen bisher kaum Unerwartetes. «Solange das
Geschäft läuft und die Performance stimmt, werden keine überraschenden Kandidaten nominiert.
Das Gremium umgibt sich mit ähnlichen Personen», sagt Rekrutierungsspezialist Erik Wirz.


Kandidatinnen notwendig

«Erst wenn die Firma Probleme hat oder grössere Veränderungen wie ein Börsengang anstehen,
reicht das Buddy-Netzwerk nicht mehr», sagt der Headhunter. Seit Längerem mit Problemen
kämpft der Solarausrüster Meyer Burger. Er wagt nun auch an der obersten Spitze die Erneuerung,
setzt dabei aber auf eine etablierte Kraft. So soll mit Remo Lütolf ein ehemaliger Energiemanager
Anwalt Alexander Vogel ersetzen. «Bei Erstellung eines Kandidatenprofils sind aktuelle
Zusammensetzung und Kompetenzportfolio des VR die Ausgangslage», sagt Hoegl.


Gewisse Anforderungen seien auch «fremdgesteuert», gibt Sandro Gianella zu bedenken. So seien
derzeit etwa Kompetenzen im Bereich Compliance oder Risikomanagement gefragt. Es gebe aber
auch «Sachzwänge»,  aktuell die Notwendigkeit, weibliche Kandidaten vorzuschlagen, sagt er. Auch
Digital- und M&A-Kompetenz wie auch allgemeine Verjüngung sind Themen, die bei
Neubesetzungen hineinspielen.


Fünf Unternehmen, die mit VRP­Wahlen für Schlagzeilen sorgen:

 

 

Die Nominierung der SBB-Managerin Jeannine Pilloud als Nachfolgerin des Multi-Verwaltungsrats
Andreas Umbach kam etwas überraschend. Umbach, der nebst Ascom auch Präsident von
Landis+Gyr und SIG Combibloc ist, gibt den VR-Vorsitz an der GV vom 10. April ab, will sich aber
wieder in den VR von Ascom wählen lassen

Pilloud kann mit der Unterstützung des grössten Ascom-Aktionärs, Veraison (rund 8% des
Kapitals), rechnen. Die ETH-Absolventin bringt ausgedehnte Erfahrung im IT- und
Telekommunikationsbereich (ICT) mit, bei IBM und T-Systems. Sie wird nicht nur den
Transformationsprozess weitertreiben, sondern gleich nach Amtsantritt auch eine personelle
Entscheidung fällen müssen.

 

CEO Holger Cordes steht nach dem erneuten Verfehlen der Jahresziele stark unter Druck, zumal auch die ursprünglich für 2020 formulierten Mittelfristziele ausser Reichweite liegen. Cordes hat im Finanzmarkt Erwartungen geweckt, die Ascom einmal mehr nicht einlösen kann.

 

Für Pilloud steht auch eine strategische Bestandesaufnahme an: Ist Ascom allein stark genug, um sich als spezialisierter ICT-Anbieter zu behaupten, oder braucht es einen starken Partner? (EM)


 

Comet

Nach 12 Jahren an der VR-Spitze des HighTech-Unternehmens Comet tritt Hans Hess nicht mehr an. Sein Rücktritt kommt zu einem ungünstigen Zeitpunkt: Comet musste 2018 einen Rückschlag hinnehmen – teils selbst verschuldet und teils wegen des Abwärtstrends im Halbleitermarkt.

 

Comet schlägt nach einem Auswahlverfahren als Nachfolger von Hess den deutschen Physiker und Unternehmer Christoph Kutter vor. Kutter ist Direktor der Fraunhofer Einrichtung für Mikrosysteme und FestkörperTechnologien (EMFT).

Er kennt die für Comet zentrale Halbleiterindustrie sehr gut. Der Grossaktionär Veraison schlägt einen eigenen Kandidaten vor: Heinz Kundert, Vizepräsident des VR von VAT und ebenfalls intimer Kenner der Halbleiterbranche.

 

An der GV (25. April) kommt es zu einer Kampfwahl. Es geht nicht nur um Personen, sondern auch um die

Strategie. Während Kutter eher für Kontinuität steht, verlangen Veraison bzw. Kundert eine «Schärfung» der Strategie. Obwohl offen ist, was darunter zu verstehen ist, kämen wohl die Ebeam-Technologie und das Röntgensystemgeschäft auf die Abschussliste. Das will Comet nicht. In der Wahl hat Kutter eher die besseren Karten. (PM)

 

 

 Hochdorf

 

 

Das Aufbegehren kam unerwartet: Am 8. März wandte sich Hochdorf-Grossaktionärin ZMP Invest an die Öffentlichkeit. Die Investmentgesellschaft, die 14,5% am Milchverarbeiter hält, forderte die Erneuerung des Verwaltungsrats. Im Fokus der Vorwürfe steht die mangelnde Kontrolle der Geschäftsleitung durch das Aufsichtsgremium – insbesondere durch den Präsidenten Daniel Suter – und die nach Ansicht der Aktionäre daraus resultierenden operativen und finanziellen Probleme von Hochdorf


ZMP Invest schlägt für die Wahl des VR an der Generalversammlung vom 12. April neben zwei neuen Mitgliedern einen Präsidenten vor: Künftig soll Bernhard Merki übernehmen. Als früherer Chef der Netstal-Gruppe und CEO der 4B verfüge er über die nötige Erfahrung, glaubt ZMP. Merki ist zudem im VR von Ems-Chemie.


Hochdorf hält an Suter fest. Die Situation des Unternehmens sei nicht so dramatisch, wie von der Grossaktionärin dargestellt, schreibt sie in einem Brief an die Aktionäre. Zudem drohe ein Wissensverlust, sollten gleich mehrere Mitglieder und der Präsident ersetzt werden. Unterstützung erhält sie von zRating: Der Aktionärsdienstleister empfiehlt die Wahl von Suter.  (GAH)



Meyer Burger

 



Beinahe sechzehn Jahre lang sass Alexander Vogel im Verwaltungsrat des Solarausrüsters Meyer Burger, bald drei davon als Präsident. Diese lange Amtszeit ist ein Dorn im Auge des grössten Aktionärs des Technologieunternehmens. Der russische Milliardär Petr Kondrashew hält über das Investmentvehikel Sentis ca. 7% des Aktienkapitals (vor der jüngsten Kapitalerhöhung).

Ausser der Erneuerung der Führungsspitze inkl. Rücktritt des VR-Präsidenten – der Abgang des Finanzchefs wurde im letzten August erzwungen – verlangt der umtriebige Investor auch Änderungen in den CorporateGovernance-Richtlinien sowie neue strategische Weichenstellungen.


Alexander Vogel wird sich an der Generalversammlung vom 2. Mai nicht mehr zur Wahl stellen. Sein Nachfolger soll Remo Lütolf werden. Er ist derzeit Präsident des Rüstungskonzerns Ruag und war zuvor Länderchef Schweiz bei ABB.

 

Sentis hat bisher keinen Widerstand gegenüber Lütolf angemeldet und auch keinen eigenen Kandidaten aufgestellt. Wird Lütolf gewählt, wird er die Fortsetzung der finanziellen Erholung des Unternehmens sicherstellen sowie den Dialog mit seinem grössten Aktionär in geordnetere Bahnen lenken müssen. (EM)



Schmolz + Bickenbach

 

 

 

Edwin Eichler zieht sich als VRP von Schmolz + Bickenbach (S+B) zur GV 2019 zurück. Spannend ist dabei das Thema Victor Vekselberg (indirekter S+B-Anteil aktuell rund 13%). Eichler war bis Frühjahr 2018 als Vertreter des Russen im VR, dann aber unabhängiges Mitglied.

 

Problematisch: Der Ex-ThyssenKrupp-Manager ist unter anderem VRP des Anlagenbauers SMS, der 2018 vom S+B-Konkurrenten Voestalpine einen Auftrag für einen Elektrolichtbogenofen erhielt – ein Interessenskonflikt. Das ist nun Geschichte.

 

Als Nachfolger steht Jens Alder bereit. Der frühere Swisscom-Chef (bis 2006) ist VRP und VR-Delegierter des Stromkonzerns Alpiq. Kritik am Alpiq-Doppelmandat lässt er ebenso abprallen wie die Sorge, dass er mit S+B nun zu viele Ämter habe. Erfahrung im Stahl kann er nicht vorweisen.

 

Aber: Zwischen 2009 und 2018 hielt Alder mehrere VR-Mandate, so für den US-TechRiesen CA. Da schliesst sich der Kreis. Bis 2018 war AMAG-Präsident Martin Haefner, der 17% an S+B hält und im VR von S+B sitzt, Grossaktionär von CA. Alders Job bei S+B ist klar: Integration übernommener Einheiten, Effizienz steigern, Turnaround in Nordamerika, Verschuldung herunterfahren – und die Managerlöhne senken. (BA)

Don't miss out on new updates.

Subscribe for our newsletter

form-image